Foto: Maria Tuxen Hedegaard
FLORA DANICA – das wildeste Service der Welt
Permanente Ausstellung – voraussichtlich bis 2030.
Eine Welt voller Wildheit und üppigem Porzellan offenbart sich, wenn die Königlich Dänische Sammlung erstmals das originale Flora Danica Service im Bibliothekssaal von Koldinghus ausstellt.
Mit 1.530 intakten Teilen ist Flora Danica nicht nur das weltweit besterhaltene Prachtservice aus dem 18. Jahrhundert, sondern zweifelsohne auch das wildeste Service der Welt, wenn es um Pracht, Mythen und Verzierungen geht. Die neue Prachtausstellung über das Service auf Koldinghus bietet die Möglichkeit, sich in das großartige Geschirr, die faszinierenden Gedanken und großpolitischen Mythen, die es birgt, zu vertiefen. Inszeniert auf dem zerbrechlichen weißen Porzellan, das mit seinen zahlreichen Teilen und zierlichen Darstellungen der wilden dänischen Botanik eine ganz zentrale Rolle für das Verständnis des Landes Dänemark während der Aufklärung spielt und das wie die dänischen Kronjuwelen auch heute noch zu besonderen Anlässen verwendet wird.
Im Video „Eine königliche Tafel“ erfahren Sie, wie eine solche Tafel im Jahr 1803 ablief
1803 feierte Christian VII. seinen 54. Geburtstag und lud zu einer Gala-Tafel ein. Bei diesem Anlass wurde das Flora Danica Service erstmals benutzt. Im Video erzählt Kurator Jesper Munk Andersen, wie eine solche Tafel ablief und wie das Geschirr zum Gespräch anregen sollte. Erfahren Sie, welchen Zweck die besondere Verzierung – die wilde Flora – des Services hat, die heute mit einer Hommage an die wilde Natur verknüpft wird.
Die Entstehung von Flora Danica
In der Ausstellung „Flora Danica – das wildeste Service der Welt“ entfaltet sich die Entstehungsgeschichte des Geschirrs, die unlösbar mit dem Nachschlagewerk Flora Danica verknüpft ist – der weltweit ambitioniertesten Bestandsaufnahme wilder Pflanzen, die sich über 122 Jahre erstreckt und insgesamt 3.240 Gewächse in Form von schönen Kupferstichen und präzisen Beschreibungen auflistet.
Genau diese prestigeträchtige Arbeit, durch die Wissen gesammelt, die Nutzung der wilden Natur verbreitet und der Absolutismus in Glanz erstrahlen sollte, wurde um 1789 auf Porzellan zur Schau gestellt. Wie diese wilde Idee entstand, wer den nahezu absurden Gedanken, Porzellan mit Wildpflanzen zu dekorieren, entwickelte und für wen das prächtige Service gedacht war, ist heute noch immer ein Mysterium. Denn unser Wissen über die Entstehung des Prachtservices ist ebenso begrenzt wie die Mythen über das Geschirr zahlreich sind.
Wilde Gerüchte und großpolitische Dramen
Bereits während der Entstehung des Services kursierten die Gerüchte über den Zweck des mit Wildpflanzen dekorierten Geschirrs. Wie ein Steppenbrand verbreiteten sich die Gerüchte in Europa und brachten die Produktion rasch mit der porzellanbegeisterten russischen Zarin Katharina der Großen in Verbindung. Vielleicht war das Flora Danica Service mit den wilden Pflanzen ja ihr zugedacht als diplomatisches Geschenk in einer außenpolitisch angespannten Zeit. Oder war es von Beginn an für die Tafel der dänischen Monarchen gedacht als wilde Form eines politischen Anstoßes zum Festhalten an einer geführten Politik?
Denn zur Zeit der Entstehung des Geschirrs spielten sich nicht nur großpolitische Dramen auf internationaler Ebene ab, sondern auch ein hochdramatischer Kampf um den politischen Kurs der Monarchie im dänischen Reich, wo eine erbitterte Fehde für oder wider Reformen stattfand. Wie sich das Flora Danica Service zwischen Reformen, Diplomatie und wilden Gerüchten einordnet, ist noch immer ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das um 1789 ein einzigartiges Service erblühen ließ, das in Sachen Größe und sonderbarem Dekor noch immer seinesgleichen sucht.
Giftige Pilze und raffinierte Werbung
Auf sämtlichen Teilen des Flora Danica Services sind Kupferstiche aus dem Nachschlagewerk akkurat im Maßstab 1:1 abgebildet. Anders ausgedrückt: Auf Terrinen, Weinkühlern und Tellern wimmelt es nur so von der wilden Flora – von den unansehnlichsten Algen auf norwegischen Felsen über giftige Pilze in dänischen Wäldern bis hin zu langen Gräsern in der holsteinischen Heide.
Während sich die Kupferstiche auf große Teile wie Terrinen und Platten einfach übertragen ließen, mussten sich die Porzellanmaler alles Mögliche einfallen lassen, um andere Stiche passend zu machen. Lange Stängel mussten geteilt, Gräser gelegt und Blätter gewunden werden, um auf den runden und gewölbten Schalen, Cremetassen und Salzschalen Platz für die Pflanzendekors zu finden. Das Mantra lautete Akkuratesse – und korrekte Wiedergabe statt dekorativer Schönheit. Trotz seines außergewöhnlichen Volumens und seiner erlesenen Pracht ist das Service also vor allem Werbung für das zugrundeliegende Buch und somit abhängig von der botanischen Bestandsaufnahme. Es darf nicht nur als eigenständiges künstlerisches Unterfangen der Königlich Dänischen Porzellanmanufaktur betrachtet werden, sondern gleichermaßen als raffinierter Reklame-Stunt.
Das wildeste Service der Welt
Seit der großen Ausstellung 1990 auf Schloss Christiansborg war eine ausführliche Präsentation des wilden Services, das ebenso mythisch wie umfangreich ist, nicht möglich gewesen. In der Ausstellung wird neues Licht auf die wilden Mythen des Geschirrs geworfen. Gleichzeitig erhalten die Besucher die Möglichkeit, sich den speziellen Dekors und der Verwendung des historischen Services, das erstmals 1803 auf der Geburtstagstafel Christians VII. benutzt wurde, anzunähern.
Seit dieser Zeit kommt das Service bei ganz besonderen Ereignissen und historischen Anlässen im Königshaus auf den Tisch, zuletzt beim Regierungsjubiläum von I. M. Königin Margrethe II. im Januar 2022. Kein anderes dänisches Geschirr kann sich mit einer derart langen Geschichte und historischen Mahlzeiten brüsten wie das Flora Danica Service – das wildeste Service der Welt, in Sachen Geschichte, Mythen und Dekor!
Die Ausstellung „FLORA DANICA – das wildeste Service der Welt“ ist mit Leihgaben des dänischen Staatsinventariums und Beiträgen von Royal Copenhagen und Georg Jensen Damask entstanden. Die Ausstellung ist ab 7. Oktober 2022 auf Koldinghus zu sehen und wird von Veranstaltungen und Vermittlungsinitiativen begleitet, die Geschichte, Nutzung und Aktualität des Services beleuchten.
Oberes Foto: Iben Kaufmann
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Ausstellungskatalog
Anlässlich der Ausstellung veröffentlicht die Königlich Dänische Sammlung einen Katalog. In diesem Katalog wird das derzeitige Wissen über die Geschichte des eindrucksvollen Services zusammengefasst und neue Gesichtspunkte hinsichtlich seines Zwecks mit Hilfe von bis dahin übersehenen Quellen beleuchtet. Wurde das Flora Danica Service wirklich für die russische Zarin Katharina die Große geschaffen oder führten ganz andere Gründe dazu, dass die Königlich Dänische Porzellanmanufaktur 1789 mit der Produktion des Geschirrs begann?
Der Katalog bietet außerdem die Möglichkeit, sich in die Tafel- und Essenskultur, die seiner Zeit am Hof Christians VII. gepflegt wurde, zu vertiefen, wo das Flora Danica Service im Januar 1803 erstmals benutzt wurde. Ein weiteres Thema ist die Geschichte der Verwendung des Geschirrs bis in die heutige Zeit. So wie die dänischen Kronjuwelen ist das historische Flora Danica Service nämlich weiterhin lebendiges Kulturerbe, das bei ganz besonderen Anlässen im Königshaus auf den Tisch kommt – zuletzt beim Regierungsjubiläum von I.M. Königin Margrethe II. im Januar 2022.
Der Katalog wurde von Jesper Munk Andersen, Kurator der Königlich Dänischen Sammlung, verfasst und mit einer Reihe schöner neuer Aufnahmen der Fotografin Iben Kaufmann illustriert. Der Katalog umfasst 95 Seiten und ist auf Dänisch und Englisch erhältlich.
Ausgewählte Fotos des Services
Das Flora Danica Service umfasst eine Reihe von Blumenkörben, mit denen die königlichen Tafeln geschmückt wurden. Echte Blumen auf dem Tisch galten im 18. Jahrhundert als unschicklich, weshalb sie aus Porzellan waren.
Auf dem Deckel, wie hier auf Kasserollen, und unter Terrinen sprießt die wilde Flora auf den zahlreichen Teilen des Services hervor. Das Flora Danica Service ist nicht nur hinsichtlich des Dekors, sondern auch aufgrund der Funktionalität seiner Teile ein wilder Anblick. Mit 41 verschiedenen Teilen – von Platten bis zu Eierbechern – bildet es den Höhepunkt der Tafelkultur im 18. Jahrhundert.
Zum Flora Danica Service gehören drei verschiedene Weinkühler – abgestimmt in Form und Größe auf ihre Anwendung während der Festmahlzeit. Bis Ende des 18. Jahrhunderts gehörten Wein und Weingläser nicht auf die Tafel, sondern standen auf der zugehörigen Anrichte. Von hier aus brachte die Dienerschaft auf Wunsch ein kühles Glas Wein und stellte es wieder zurück, sobald es ausgetrunken war. Die vielen Weinkühler des Services verraten, dass dieser Brauch um 1790 von Wein und Gläsern auf dem Tisch abgelöst wurde, so wie wir es heute kennen.
Das Plattmenage-Set war fester Bestandteil des gedeckten Tischs. Die kleinen Kannen waren mit Öl, Essig, Senf und gemahlenem Pfeffer gefüllt, mit denen die Speisenden die gewünschten Gerichte abschmecken konnten. Auf dem Fuß der Kannen stehen die lateinischen Namen des jeweiligen wilden Pflanzendekors sowie eine Referenz zum Nachschlagewerk.
Die viereckige Präsentierplatte ist mit der Steinbeere (rubus saxatilis) verziert, die heute eine Seltenheit in Dänemark ist. Die säuerliche rote Frucht der Steinbeere kann zu Kompott, Gelee und Saft verarbeitet werden. Ein Beispiel für die Nutzung der Wildpflanzen, zu der die Bestandsaufnahme führen sollte.